Freitag, 27.4.2012
Verkehrsmeldung: langsam fahren wegen
Sandverwehungen
Wieder einmal Reisetag, um an einen
neuen Ort zu gelangen. Das neue Ziel lautet Tozeur, wo ich wieder
einige Tage bleiben werde und die Gegend mit Tagesausflügen
entdecke. Tozeur liegt von Douz (übrigens ausgesprochen, wie
französisch 12) mehr oder weniger diagonal am anderen Ende des
Chott El Jerid. Eine gut 80km lnge Strasse führt auf einem Deich
über den Chott. Der Chott ist eine Salzwüste, welche teils noch mit
Wasser gefüllt oder unterspült ist. Daher ist es nicht
empfehlenswert, sich abseits des Dammes zu bewegen, da mit Einbrechen
in's Salzwasser gerechnet werden muss. Was für einen Menschen noch
geht, ist für das Fahrzeug quasi der sichere Tod.
Der Wind, welcher am Vorabend
eingesetzt hat, bläst noch immer mit unveränderter Stärke aus
östlicher Richtung. Kurz nach Douz sehe ich Erscheinungen, welche
ich von zuhause her kenne. Dort sind es Schneeverwehungen, welche
über die Strassen fegen. Hier sehen sie genau gleich aus, an Stelle
von Schnee ist es Sand, welcher sich in fliessenden Mustern über die
Strasse bewegt.
Dies führt so weit, dass die Sicht auf
etwas mehr als 100m reduziert wird. Wir sind aber noch weit von einem
Sandsturm entfernt. Wenn auch mit Rückenwind, erweist sich die
Strecke über den Chott als überaus anstrengend, denn die
entgegenkommenden Fahrzeuge tauchen sehr spät aus der Sandwolke auf.
Zudem scheint dies für die Einheimischen kein Grund zu sein, die
Geschwindigkeit zu reduzieren.
Bei einem kleinen Photostopp merke ich,
wie stark der Wind bläst und ich mich richtiggehend dagegenstemmen
muss.
Die Oasen hier am westlichen Ende des
Chott liefern als Hauptprodukt Datteln, welche sie produziern. Allein
in der Palmerie von Tozeur sind mehr als 400'000 Palmen gepflanzt,
welche mit den anderen drei Oasen in der Umgebung rund die Hälfte
der tunesischen Dattelproduktion erbringen. Der Ort ist mehr noch als
diejenigen welche ich bisher besucht habe vom Ausflugstourismus
geprägt. Haufenweise sind die 4x4 der Agenturen voll gestopft mit
Touristen unterwegs um von einer Sehenswürdigkeit zur Nächsten zu
eilen. Ganz im Wesen der Stadt sind auch die klotzigen Ressortanlagen
erstellt worden. Nur leidet die Stadt sehr unter dem Einbruch der
Touristenzahlen, welche durch die Revolution 2011 verursacht wurde.
Einige der im Führer Angegebenen Adressen stimmen nicht mehr, resp.
die Anlagen sind geschlossen worden. So ist auch der Campingplatz,
welchen ich zuerst suche nicht mehr in dieser Art vorhanden. Die
Alternative, welche etwas zentraler liegt mit dem überaus
freundlichen Besitzen tröstet problemlos über diesen Verlust
hinweg.
Samstag, 28.4.2012 - Nochmals Tatooine
Die erste Tour von Tozeur aus geht in
Richtung Westen zur nahe gelegenen Oase Nefta. Auf dem Hinweg mache
ich einen Abstecher nördlich der Strasse, wo noch die Kulissen der
Dreharbeiten von Star Wars Episode I zu besichtigen sind. Die
Koordinaten im Führer stimmen leider nicht mit dem überein, was ich
vor Ort antreffe und so halte ich mich hauptsächlich an die Pisten,
welche ich jeweils antreffe oder die Spuren von anderen Fahrzeugen,
welche in Etwa in die gewünschte Richtung führen.
Fahrten in der Wüste sind eine
Mischung aus Streckenbeschreibung, Koordinaten fahren, Gelände lesen
und gesundem Menschenverstand, welcher auf die richtige Piste führt.
Erstaunlicherweise trifft man mit hoher Regelmässigkeit auf kleine
Pisten und Spuren, welche den eigenen Weg kreuzen, dazu stossen oder
verlassen.
Plötzlich merke ich, dass mein
Fahrzeug nicht mehr über den Untergrund holpert, sondern praktisch
darüber hinweg schwebt. Als ich anhalte um nachzusehen, merke ich,
dass ich bereits in Mos Espa angekommen bin und die alte Ténéré
gegen einen Sandgleiter eingetauscht habe.
Leider ist der Ort ziemlich verlassen.
Einzig einige wenige Einheimische sind hier geblieben, um Gebühren
für den Besuch und Abstellen der Gleiter einzufordern. So etwas ist
mir in der ganzen Galaxis noch nicht untergekommen. Glücklicherweise
nehmen sie meine Credits und lassen mich in Frieden.
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Mos Espa |
Bei der Abfahrt mache ich mir erst noch
Gedanken, ob ich wieder ein Wurmloch finden werde, welches mich
zurück in das mir bekannte Raum-Zeit Kontinuum befördert. Doch dank
Navigationscomputer gelingt auch dies.
Der weitere Weg bringt mich in die Oase
Nefta, wo ich mir etwas Kleines kaufe und dann in Richtung Palmerie
aufbreche, um ein ruhiges, schattiges Plätzchen für mein
Mittagessen zu suchen. Kaum sitze ich dort unter Palmen und fange an,
meinen kleinen Imbiss zu mir zu nehmen, als ein Einheimischer auf
deiner Mobilett daher kommt und mich darauf aufmerksam macht, dass
einige 100m weiter eine Buvette (seine Buvette) sei und ich doch bei
ihm vorbei schauen solle.
Was soll man bei einer so freundlichen
Einladung noch sagen. Ich packe meine 7 Sachen und mache mich auf um
ein einer kleinen Parzelle mit etwa 300 Palmen weiter zu essen. Die
Einladung enthält auch Palmsaft und einen Tee, welchen ich nicht
ausschlagen kann.
Beim Abschied kommt natürlich die
lange erwartete Frage, ob ich noch Datteln kaufen möchte. Seine
Preisvorstellung ist natürlich jenseits von Gut und Böse.
Glücklicherweise habe ich noch etwas Münz, welches weniger ist als
der von ihm gewünschte Betrag, doch so viel wie ich gerne dafür her
gebe. So werden wir uns Handelseinig.
Sonntag 29.4.2012 - Bergoasen
Der heutige Ausflug geht mehr in
Richtung Norden zu den Bergoasen um die Ortschaft Tamerza und das
östlich davon gelegene Phosphatabbaugebiet der Redeyev und Moulares.
Der Wind der letzten Tage hat nur
unwesentlich abgegeben und so wird es wieder „neblig“ resp.
sandig und die Sicht ist eher beschränkt, als ich losfahre.
Im Gebirge wird die Situation dann
endlich besser. Die Schönheit der Gegend mit ihren keinen Oasen und
Wasserfällen ist eine willkommene Abwechslung zu der Kargheit und
Weite des Chott. Jedoch auch hie prägt der Massentourismus das Bild
und ein Souvenierstand reiht sich an den Anderen. Ich hätte sogar
Gegelenheit, zwei kleine Dattelpalmen für zu Hause zu kaufen, welche
3 Wochen ohne Wasser bis dort hin problemlos überleben. Zudem sind
sie so schnell wachsend, dass sie in zwei Jahren bereits mehr als 2m
hoch sein werden und erst Früchte tragen. Leider habe ich nicht das
nötige Kleingeld mit dabei, um mir diese Wunderpflanzen zu kaufen –
schade.
Als der Weg durch das Gebirge bereits
fertig ist, erreiche ich Metlaoui, von wo aus ein Zug nach einem
nicht ganz bekanntem Fahrplan durch Gorges de Selja fährt. Der
Eingang zur Schlucht ist auch via Piste und anschliessend zu Fuss zu
erreichen. So ist es möglich, die Gorges auf dem Schienentrasse
selbst zu durchlaufen. Na ja, das ist nicht gerade das, was ich mir
wünsche. Der Abstecher an den Eingang in die Schlucht lohnt aber
alleweil. Keine Menschenseele dort und so kann ich mir eine kleine
Pause in der wunderbaren Landschaft gönnen.
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Es geht doch: Foto durch den Feldsteccher gemacht |
Als ich mich wieder auf mache und den
Weg in Richtung Hauptstrasse nach Tozeur einschlage sehe ich auf der
Strasse schwarzen Rauch aufsteigen und auf halbem Weg dort hin eine
Kolonne von 4x4 mit einem einheimischen Fahrer sprechen. Diese wenden
und kommen nun in meine Richtung. So erfahre ich, dass auf der
Hauptstrasse eine Demonstration ist und anscheinen kein Durchkommen.
Der Einheimische zeige einen Weg, wie wir in Richtung Tozeur
gelangen. Nachwehen der Revolution? Ich frage nicht lange nach und
schliesse mich den deutschen 4x4 an. Als diese nach einigen
Kilometern die Strasse auf eine Piste verlasse, fahre ich erst
hinterher. Da sie aber viel langsamer über die Wellblechpiste fahren
als ich und ich so das Gefühl habe, gleich meine Füllungen aus den
Zähnen zu verlieren, gebe ich Gas und ziehe an ihnen vorbei.
Zwischendurch kontrolliere ich, ob sie noch aus der gleichen Spur
sind. Nun wird die Piste immer dünner und schlechter, bis sie in ein
vom Wasser ausgespültes Weglein übergeht, welches den Hang hinunter
führt. Ich fahre weiter, denn irgendwo dort muss dann die
Hauptstrasse wieder kommen.
Als ich den Abhang hinter mich gebracht
habe und in der Ebene unten angekommen bin, muss ich feststellen,
dass ich den Auto Tross verloren habe. Ist ja eigentlich auch kein
wirklicher Verlust.
Glücklicherweise habe ich das GPS
ständig dabei und sehe so, dass es ca. 10Km bis zur Strasse sind.
Nun gilt es im sandig, steppenartigen Gelände einen Weg dorthin zu
finden, denn mittlerweile sind keine Spuren mehr zu sehen.
"Gas geben; wer bremst, hat verloren!"
Der Spruch bekommt einen neuen Sinn, denn sobald ich anhalte, ist es
sehr schwer, auf dem weichsandigen Untergrund wieder Fahrt
aufzunehmen.
Da taucht am Horizont ein Sendemast
auf, welcher sicher bei der Strasse sein muss und den ich nun als
Anhaltspunkt für die weitere Fahrt nehmen kann.
Erfolgreich kämpfe ich mich quer durch
das Gelände bis ich praktisch am Sendemast angelangt bin. Dort
taucht plötzlich ein höherer Wall vor mir auf, welchen ich mit
etwas Anlauf nehmen muss. Dies gelingt sehr gut. Weniger gut gelingt
die Abfahrt auf der anderen Seite des Walls. Ich stürze und werde
halb unter dem Motorrad begraben. Glücklicherweise ist nichts
passiert, ausser dass der rechte Rückspiegel es nicht überlebt hat.
Als ich mein Bein wieder unter der Maschine ausgegraben habe, gilt es
diese wieder aufzustellen. In einem solchen Fall müssen die 160kg
gegen den Hang angehoben werden. Eine kleine Kontrolle zeigt, dass
sonst wirklich noch alles i.O. ist.
Dafür habe ich anschliessend die ganze
Strasse für mich, da sie anscheinen noch immer blockiert ist.
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das isch d'Strass vor der Moschee, wos um de Sidi isch g'scheh |
Kurz vor Tozeur nutze ich die
Gelegenheit in der Oase El Hamma einen Abstecher zu Sidi Abdel Assar
zu machen und mit ihm einen Tee zu trinken. Mit seinen Sparbemühungen
ist er leider noch immer nicht sehr weit gekommen, denn er hat erst
25 Kamele....
Montag, 30.4.2012
Nach den gestrigen Strapazen ist für
heute mehr oder weniger ein Ruhetag angesagt. Auf dem Programm stehen
Exkursionen in Tozeur. Leider haben einige der Ziele, welche ich mir
aus dem Führer herausgesucht habe finanziell die Revolution, resp.
das anschliessende Ausbleiben der Touristen nicht überstanden. So
z.B. eine Freizeitanlage, welche die Geschichten aus 1001 Nacht
nachgestellt hat. Aber auch ein Museum, welches den Verlauf der
Entwicklung Tunesiens über die Jahrtausende aufzeigt. Möglicherweise
werden sie ihre Pforten wieder öffnen, wenn wieder genügend
Besucher anreisen.
So bleibt neben der Altstadt lediglich
der Zoo, welchen es zu besichtigen gibt. Obschon Tozeur nur knapp
40'000 Einwohner hat, gibt es vor Ort zwei Zoos. Diese sind etwa
gleich gross/klein (je nach Betrachtungswinkel). Die Wahl fällt auf
denjenigen, welcher in der Palmenoase liegt und welcher noch einen
„botanischen“ Garten zum Lustwandeln bietet. Die Tierwelt der
Umgebung ist im Zoo vertreten und wird durch drei Löwen, welche in
einem viel zu kleinen Gehege gelangweilt auf die Besucher starren,
ergänzt. Mit einem zoo in unserem Sinn hat das nicht viel zu tun.
Ein Wärter führt die Besucher regelmässig herum und zeigt die
Attraktionen, welche die Tiere zu bieten haben eher in einem
Zirkusstiel. Dass das Dromedar Cola trinkt und der Skorpion in der
Zigarettenschachtel wohnt, liegt wohl nicht gerade in der Natur der
Tiere. Am meisten erstaunt mich, als eine Gruppe Besucher das Gehege
der Fenek öffnet und dieses betritt.
Dafür bietet der angebaute Garten eine
Oase der Entspannung, in der sich vor allem junge Pärchen treffen,
um ungestört zusammen zu sitzen.
Viele Attraktionen sind dies wirklich
nicht, um einen ganzen Tag damit zu verbringen.
Dienstag 1.5.2012
Für heute ist wieder etwas mehr
Bewegung angesagt. Auf dem Programm steht die Piste, welche zwischen
dem Chott El Djerid und dem Fuss des Djebel entlang zieht. Dazu muss
ich erst noch einmal über das Chott ostwärts fahren. Dieses mal ist
das Wetter einiges besser und ich habe freie Sicht auf das Chott.
Es ist so, dass sich Fata Morganas
nicht fotografieren lassen.
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Elefanten auf dem Chott |
Trotz mehrere Versuche liessen sich die
15 tanzenden Elefanten, welche ich sah nicht bildlich festhalten.
Aber ich schwöre, sie waren da.
Kurz vor der Stelle, an der die Piste
von der Strasse abzweigt, wird heftig gebaut. Der Belag wird erneuert
und auf tunesisch verläuft das etwa so: zuerst hört der Asphalt auf
und die Strasse führt auf Naturgrund weiter. Nach einigen Kilometern
sind dann Baumaschinen in Sicht, welche den neuen Belag aufbringen.
Dazu muss der Verkehr natürlich neben der eigentlichen Strasse durch
geführt werden, es sei denn, dass dort ein Lastwagen steht, welcher
frischen Teer anliefert. So kann es denn kommen, dass man spontan von
der Seite auf die neu geteerte Strasse hinauffährt und anschliessend
wieder in den Staub. Mit entsprechender Auf- und Abfahrt vom neuen
Belag.
Vor der Anstrengung der bevorstehenden
Piste will ich noch eine kurze Pause einlegen und mache unter dem
einzigen Baum weit und breit Pause und trinke etwas. Keine 5 Minuten
später kommt ein Einheimischer, welcher mit seinem Motobecane
unterwegs ist und gesellt sich zu mir. Als er die Jacke ablegt, sehe
ich, dass er seinen Unterarm übel aufgeschürft hat. So weit ich
kann, helfe ich ihm und erfahre, dass er eben bei der vorangehenden
Baustelle bei der Auffahrt auf den frischen Belag gestürzt ist. Sein
Glück, dass er wenigstens einen Helm getragen hat. Er kann fast
nicht aufhören mit „Alhammdulilah“ (etwa: Gottseidank). Wir
unterhalten uns angeregt etwa eine halbe Stunde; er auf tunesisch und
ich im Dialekt, doch wir verstehen uns blendend. Für meine kleine
Hilfe teilen wir uns sein Bier und Streichkäse. Von ihm eingeladen,
falls ich mal in seiner Gegend bin, machen wir uns dann auf unsere
Wege. Solche Begegnungen bereichern das Leben!
Mein Weg auf der Piste verläuft
unfallfrei und bis auf 5 italienische Motorradfahrer, welche mir
entgegenkommen, begegne ich sonst niemandem. Die Strecke ist von
Oueds, welche vom Gebirge her in den Chott münden durchzogen und
führt gegen Ende noch einige Kilometer der Absperrung eines
Nationalparks entlang. Leider bekomme ich keine der hier heimischen
Gazellen zu Gesicht.
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Warten auf Anschluss - etwas einsam steht er da.. |