Sonntag, 6. Mai 2012

Tozeur

Freitag, 27.4.2012
Verkehrsmeldung: langsam fahren wegen Sandverwehungen

Wieder einmal Reisetag, um an einen neuen Ort zu gelangen. Das neue Ziel lautet Tozeur, wo ich wieder einige Tage bleiben werde und die Gegend mit Tagesausflügen entdecke. Tozeur liegt von Douz (übrigens ausgesprochen, wie französisch 12) mehr oder weniger diagonal am anderen Ende des Chott El Jerid. Eine gut 80km lnge Strasse führt auf einem Deich über den Chott. Der Chott ist eine Salzwüste, welche teils noch mit Wasser gefüllt oder unterspült ist. Daher ist es nicht empfehlenswert, sich abseits des Dammes zu bewegen, da mit Einbrechen in's Salzwasser gerechnet werden muss. Was für einen Menschen noch geht, ist für das Fahrzeug quasi der sichere Tod.

Der Wind, welcher am Vorabend eingesetzt hat, bläst noch immer mit unveränderter Stärke aus östlicher Richtung. Kurz nach Douz sehe ich Erscheinungen, welche ich von zuhause her kenne. Dort sind es Schneeverwehungen, welche über die Strassen fegen. Hier sehen sie genau gleich aus, an Stelle von Schnee ist es Sand, welcher sich in fliessenden Mustern über die Strasse bewegt.


Dies führt so weit, dass die Sicht auf etwas mehr als 100m reduziert wird. Wir sind aber noch weit von einem Sandsturm entfernt. Wenn auch mit Rückenwind, erweist sich die Strecke über den Chott als überaus anstrengend, denn die entgegenkommenden Fahrzeuge tauchen sehr spät aus der Sandwolke auf. Zudem scheint dies für die Einheimischen kein Grund zu sein, die Geschwindigkeit zu reduzieren.


Bei einem kleinen Photostopp merke ich, wie stark der Wind bläst und ich mich richtiggehend dagegenstemmen muss.

Die Oasen hier am westlichen Ende des Chott liefern als Hauptprodukt Datteln, welche sie produziern. Allein in der Palmerie von Tozeur sind mehr als 400'000 Palmen gepflanzt, welche mit den anderen drei Oasen in der Umgebung rund die Hälfte der tunesischen Dattelproduktion erbringen. Der Ort ist mehr noch als diejenigen welche ich bisher besucht habe vom Ausflugstourismus geprägt. Haufenweise sind die 4x4 der Agenturen voll gestopft mit Touristen unterwegs um von einer Sehenswürdigkeit zur Nächsten zu eilen. Ganz im Wesen der Stadt sind auch die klotzigen Ressortanlagen erstellt worden. Nur leidet die Stadt sehr unter dem Einbruch der Touristenzahlen, welche durch die Revolution 2011 verursacht wurde. Einige der im Führer Angegebenen Adressen stimmen nicht mehr, resp. die Anlagen sind geschlossen worden. So ist auch der Campingplatz, welchen ich zuerst suche nicht mehr in dieser Art vorhanden. Die Alternative, welche etwas zentraler liegt mit dem überaus freundlichen Besitzen tröstet problemlos über diesen Verlust hinweg.

Samstag, 28.4.2012 - Nochmals Tatooine

Die erste Tour von Tozeur aus geht in Richtung Westen zur nahe gelegenen Oase Nefta. Auf dem Hinweg mache ich einen Abstecher nördlich der Strasse, wo noch die Kulissen der Dreharbeiten von Star Wars Episode I zu besichtigen sind. Die Koordinaten im Führer stimmen leider nicht mit dem überein, was ich vor Ort antreffe und so halte ich mich hauptsächlich an die Pisten, welche ich jeweils antreffe oder die Spuren von anderen Fahrzeugen, welche in Etwa in die gewünschte Richtung führen.

Fahrten in der Wüste sind eine Mischung aus Streckenbeschreibung, Koordinaten fahren, Gelände lesen und gesundem Menschenverstand, welcher auf die richtige Piste führt. Erstaunlicherweise trifft man mit hoher Regelmässigkeit auf kleine Pisten und Spuren, welche den eigenen Weg kreuzen, dazu stossen oder verlassen.



Plötzlich merke ich, dass mein Fahrzeug nicht mehr über den Untergrund holpert, sondern praktisch darüber hinweg schwebt. Als ich anhalte um nachzusehen, merke ich, dass ich bereits in Mos Espa angekommen bin und die alte Ténéré gegen einen Sandgleiter eingetauscht habe.

Leider ist der Ort ziemlich verlassen. Einzig einige wenige Einheimische sind hier geblieben, um Gebühren für den Besuch und Abstellen der Gleiter einzufordern. So etwas ist mir in der ganzen Galaxis noch nicht untergekommen. Glücklicherweise nehmen sie meine Credits und lassen mich in Frieden.

Mos Espa



Bei der Abfahrt mache ich mir erst noch Gedanken, ob ich wieder ein Wurmloch finden werde, welches mich zurück in das mir bekannte Raum-Zeit Kontinuum befördert. Doch dank Navigationscomputer gelingt auch dies.


Der weitere Weg bringt mich in die Oase Nefta, wo ich mir etwas Kleines kaufe und dann in Richtung Palmerie aufbreche, um ein ruhiges, schattiges Plätzchen für mein Mittagessen zu suchen. Kaum sitze ich dort unter Palmen und fange an, meinen kleinen Imbiss zu mir zu nehmen, als ein Einheimischer auf deiner Mobilett daher kommt und mich darauf aufmerksam macht, dass einige 100m weiter eine Buvette (seine Buvette) sei und ich doch bei ihm vorbei schauen solle.


Was soll man bei einer so freundlichen Einladung noch sagen. Ich packe meine 7 Sachen und mache mich auf um ein einer kleinen Parzelle mit etwa 300 Palmen weiter zu essen. Die Einladung enthält auch Palmsaft und einen Tee, welchen ich nicht ausschlagen kann.



Beim Abschied kommt natürlich die lange erwartete Frage, ob ich noch Datteln kaufen möchte. Seine Preisvorstellung ist natürlich jenseits von Gut und Böse. Glücklicherweise habe ich noch etwas Münz, welches weniger ist als der von ihm gewünschte Betrag, doch so viel wie ich gerne dafür her gebe. So werden wir uns Handelseinig.

Sonntag 29.4.2012 - Bergoasen

Der heutige Ausflug geht mehr in Richtung Norden zu den Bergoasen um die Ortschaft Tamerza und das östlich davon gelegene Phosphatabbaugebiet der Redeyev und Moulares.

Der Wind der letzten Tage hat nur unwesentlich abgegeben und so wird es wieder „neblig“ resp. sandig und die Sicht ist eher beschränkt, als ich losfahre.




Im Gebirge wird die Situation dann endlich besser. Die Schönheit der Gegend mit ihren keinen Oasen und Wasserfällen ist eine willkommene Abwechslung zu der Kargheit und Weite des Chott. Jedoch auch hie prägt der Massentourismus das Bild und ein Souvenierstand reiht sich an den Anderen. Ich hätte sogar Gegelenheit, zwei kleine Dattelpalmen für zu Hause zu kaufen, welche 3 Wochen ohne Wasser bis dort hin problemlos überleben. Zudem sind sie so schnell wachsend, dass sie in zwei Jahren bereits mehr als 2m hoch sein werden und erst Früchte tragen. Leider habe ich nicht das nötige Kleingeld mit dabei, um mir diese Wunderpflanzen zu kaufen – schade.

Als der Weg durch das Gebirge bereits fertig ist, erreiche ich Metlaoui, von wo aus ein Zug nach einem nicht ganz bekanntem Fahrplan durch Gorges de Selja fährt. Der Eingang zur Schlucht ist auch via Piste und anschliessend zu Fuss zu erreichen. So ist es möglich, die Gorges auf dem Schienentrasse selbst zu durchlaufen. Na ja, das ist nicht gerade das, was ich mir wünsche. Der Abstecher an den Eingang in die Schlucht lohnt aber alleweil. Keine Menschenseele dort und so kann ich mir eine kleine Pause in der wunderbaren Landschaft gönnen.


Es geht doch: Foto durch den Feldsteccher gemacht
Als ich mich wieder auf mache und den Weg in Richtung Hauptstrasse nach Tozeur einschlage sehe ich auf der Strasse schwarzen Rauch aufsteigen und auf halbem Weg dort hin eine Kolonne von 4x4 mit einem einheimischen Fahrer sprechen. Diese wenden und kommen nun in meine Richtung. So erfahre ich, dass auf der Hauptstrasse eine Demonstration ist und anscheinen kein Durchkommen. Der Einheimische zeige einen Weg, wie wir in Richtung Tozeur gelangen. Nachwehen der Revolution? Ich frage nicht lange nach und schliesse mich den deutschen 4x4 an. Als diese nach einigen Kilometern die Strasse auf eine Piste verlasse, fahre ich erst hinterher. Da sie aber viel langsamer über die Wellblechpiste fahren als ich und ich so das Gefühl habe, gleich meine Füllungen aus den Zähnen zu verlieren, gebe ich Gas und ziehe an ihnen vorbei. Zwischendurch kontrolliere ich, ob sie noch aus der gleichen Spur sind. Nun wird die Piste immer dünner und schlechter, bis sie in ein vom Wasser ausgespültes Weglein übergeht, welches den Hang hinunter führt. Ich fahre weiter, denn irgendwo dort muss dann die Hauptstrasse wieder kommen.

Als ich den Abhang hinter mich gebracht habe und in der Ebene unten angekommen bin, muss ich feststellen, dass ich den Auto Tross verloren habe. Ist ja eigentlich auch kein wirklicher Verlust.

Glücklicherweise habe ich das GPS ständig dabei und sehe so, dass es ca. 10Km bis zur Strasse sind. Nun gilt es im sandig, steppenartigen Gelände einen Weg dorthin zu finden, denn mittlerweile sind keine Spuren mehr zu sehen.

"Gas geben; wer bremst, hat verloren!" Der Spruch bekommt einen neuen Sinn, denn sobald ich anhalte, ist es sehr schwer, auf dem weichsandigen Untergrund wieder Fahrt aufzunehmen.

Da taucht am Horizont ein Sendemast auf, welcher sicher bei der Strasse sein muss und den ich nun als Anhaltspunkt für die weitere Fahrt nehmen kann.

Erfolgreich kämpfe ich mich quer durch das Gelände bis ich praktisch am Sendemast angelangt bin. Dort taucht plötzlich ein höherer Wall vor mir auf, welchen ich mit etwas Anlauf nehmen muss. Dies gelingt sehr gut. Weniger gut gelingt die Abfahrt auf der anderen Seite des Walls. Ich stürze und werde halb unter dem Motorrad begraben. Glücklicherweise ist nichts passiert, ausser dass der rechte Rückspiegel es nicht überlebt hat. Als ich mein Bein wieder unter der Maschine ausgegraben habe, gilt es diese wieder aufzustellen. In einem solchen Fall müssen die 160kg gegen den Hang angehoben werden. Eine kleine Kontrolle zeigt, dass sonst wirklich noch alles i.O. ist.

Dafür habe ich anschliessend die ganze Strasse für mich, da sie anscheinen noch immer blockiert ist.


das isch d'Strass vor der Moschee, wos um de Sidi isch g'scheh

Kurz vor Tozeur nutze ich die Gelegenheit in der Oase El Hamma einen Abstecher zu Sidi Abdel Assar zu machen und mit ihm einen Tee zu trinken. Mit seinen Sparbemühungen ist er leider noch immer nicht sehr weit gekommen, denn er hat erst 25 Kamele....


Montag, 30.4.2012

Nach den gestrigen Strapazen ist für heute mehr oder weniger ein Ruhetag angesagt. Auf dem Programm stehen Exkursionen in Tozeur. Leider haben einige der Ziele, welche ich mir aus dem Führer herausgesucht habe finanziell die Revolution, resp. das anschliessende Ausbleiben der Touristen nicht überstanden. So z.B. eine Freizeitanlage, welche die Geschichten aus 1001 Nacht nachgestellt hat. Aber auch ein Museum, welches den Verlauf der Entwicklung Tunesiens über die Jahrtausende aufzeigt. Möglicherweise werden sie ihre Pforten wieder öffnen, wenn wieder genügend Besucher anreisen.

So bleibt neben der Altstadt lediglich der Zoo, welchen es zu besichtigen gibt. Obschon Tozeur nur knapp 40'000 Einwohner hat, gibt es vor Ort zwei Zoos. Diese sind etwa gleich gross/klein (je nach Betrachtungswinkel). Die Wahl fällt auf denjenigen, welcher in der Palmenoase liegt und welcher noch einen „botanischen“ Garten zum Lustwandeln bietet. Die Tierwelt der Umgebung ist im Zoo vertreten und wird durch drei Löwen, welche in einem viel zu kleinen Gehege gelangweilt auf die Besucher starren, ergänzt. Mit einem zoo in unserem Sinn hat das nicht viel zu tun. Ein Wärter führt die Besucher regelmässig herum und zeigt die Attraktionen, welche die Tiere zu bieten haben eher in einem Zirkusstiel. Dass das Dromedar Cola trinkt und der Skorpion in der Zigarettenschachtel wohnt, liegt wohl nicht gerade in der Natur der Tiere. Am meisten erstaunt mich, als eine Gruppe Besucher das Gehege der Fenek öffnet und dieses betritt.




Dafür bietet der angebaute Garten eine Oase der Entspannung, in der sich vor allem junge Pärchen treffen, um ungestört zusammen zu sitzen.

Viele Attraktionen sind dies wirklich nicht, um einen ganzen Tag damit zu verbringen.

Dienstag 1.5.2012

Für heute ist wieder etwas mehr Bewegung angesagt. Auf dem Programm steht die Piste, welche zwischen dem Chott El Djerid und dem Fuss des Djebel entlang zieht. Dazu muss ich erst noch einmal über das Chott ostwärts fahren. Dieses mal ist das Wetter einiges besser und ich habe freie Sicht auf das Chott.

Es ist so, dass sich Fata Morganas nicht fotografieren lassen.

Elefanten auf dem Chott

Trotz mehrere Versuche liessen sich die 15 tanzenden Elefanten, welche ich sah nicht bildlich festhalten. Aber ich schwöre, sie waren da.



Kurz vor der Stelle, an der die Piste von der Strasse abzweigt, wird heftig gebaut. Der Belag wird erneuert und auf tunesisch verläuft das etwa so: zuerst hört der Asphalt auf und die Strasse führt auf Naturgrund weiter. Nach einigen Kilometern sind dann Baumaschinen in Sicht, welche den neuen Belag aufbringen. Dazu muss der Verkehr natürlich neben der eigentlichen Strasse durch geführt werden, es sei denn, dass dort ein Lastwagen steht, welcher frischen Teer anliefert. So kann es denn kommen, dass man spontan von der Seite auf die neu geteerte Strasse hinauffährt und anschliessend wieder in den Staub. Mit entsprechender Auf- und Abfahrt vom neuen Belag.

Vor der Anstrengung der bevorstehenden Piste will ich noch eine kurze Pause einlegen und mache unter dem einzigen Baum weit und breit Pause und trinke etwas. Keine 5 Minuten später kommt ein Einheimischer, welcher mit seinem Motobecane unterwegs ist und gesellt sich zu mir. Als er die Jacke ablegt, sehe ich, dass er seinen Unterarm übel aufgeschürft hat. So weit ich kann, helfe ich ihm und erfahre, dass er eben bei der vorangehenden Baustelle bei der Auffahrt auf den frischen Belag gestürzt ist. Sein Glück, dass er wenigstens einen Helm getragen hat. Er kann fast nicht aufhören mit „Alhammdulilah“ (etwa: Gottseidank). Wir unterhalten uns angeregt etwa eine halbe Stunde; er auf tunesisch und ich im Dialekt, doch wir verstehen uns blendend. Für meine kleine Hilfe teilen wir uns sein Bier und Streichkäse. Von ihm eingeladen, falls ich mal in seiner Gegend bin, machen wir uns dann auf unsere Wege. Solche Begegnungen bereichern das Leben!

Mein Weg auf der Piste verläuft unfallfrei und bis auf 5 italienische Motorradfahrer, welche mir entgegenkommen, begegne ich sonst niemandem. Die Strecke ist von Oueds, welche vom Gebirge her in den Chott münden durchzogen und führt gegen Ende noch einige Kilometer der Absperrung eines Nationalparks entlang. Leider bekomme ich keine der hier heimischen Gazellen zu Gesicht.

Warten auf Anschluss - etwas einsam steht er da..


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