Dienstag 10.4.2012
Mit den beschriebenen Aussichten mache
ich mich auf den Weg in Richtung Ankara um zu sehen, wie der weitere
Verlauf der Reise aussehen soll.
Einmal mehr wird die Grösse der Türkei
bewusst, wenn Strassen über 40km einfach gerade aus durch topfebene
Landschaften führen. Ich nehme nicht die Autobahn und habe so
Gelegenheit, in kleinen Ortschaften einzukehren und den Puls des
Lebens zu spüren.
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gerade aus bis an den Horizont |
In jeder Ortschaft findet sich ein
Zentrum, in dem einige Restaurants und Läden zu finden sind. Auf den
Ein- und Ausfallstrassen sind meist die Handwerksbetriebe für den
Bau, die Automechaniker und Traktorenhändler, welche ihr Angebot zur
Schau stellen.
Als es am Nachmittag anfängt zu regnen
und der Wind kalt entgegen bläst, fangen meine Gedanken an nach
Alternativen zu suchen und spinnen wilde Pläne. Tropfnass komme ich
in dem Hotel&Camping südlich von Ankara an. Der Camping ist
natürlich um diese Jahreszeit noch ungenutzt und somit suche ich mir
einen Platz nach Belieben. Die Umgebung ist etwas trostlos, doch für
eine Nacht geht das gut.
In der Lobby ist es geheizt und
Internet steht zur Verfügung. Ich schaue mir diverse Varianten an
und bleibe immer wieder an derjenigen hängen, nach Tunesien zu
fahren um dort die Wüste zu erkunden. Fähre Igouamenitsa-Bari und
Palermo-Tunis sind vorhanden und in vernünftiger Zeit zu erreichen.
Ich beschliesse den Plan noch einmal zu überschlafen und dann zu
entscheiden.
Die Nacht wird etwas laut und kalt. Das Zelt bietet nicht gerade einen guten Lärmschutz. Und
zudem ist mein Schlafsack nass geworden, so dass ich meine
Füsse erst in eine Jacke einwickle und dann mit einem Plastiksack
vor der Nässe schütze. Als sich mein Atem im Zelt beim Ausatmen
dann noch beschlägt, wird mir klar, dass es für die Türkei zu früh
im Jahr ist.
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südlich vor Ankara |
Mittwoch 11.4.2012
Die Nacht verläuft alles andere als
ruhig. Einerseits der Lärm der Strasse und andererseits ist es die
Kälte, die mich weckt.
Nach Tagesanbruch genehmige ich mir
eine ausgiebige Dusche. Wenigstens das Wasser ist angenehm warm und
nur wenige Wasserstrahlen suchen sich einen anderen Weg aus der
Brause als den dafür vorgesehenen. Nun steht für mich fest, dass ich
nach Tunesien fahre. Am Dienstag kommende Woche werde ich dort
ankommen, wenn alles nach Plan verläuft.
Inshallah!
Für Frühstück habe ich noch genügend
Lebensmittel mit dabei und ich mache mich zügig auf den Weg, um
Istanbul zu erreichen. Der Weg um Ankara herum ist übersichtlich und
gut signalisiert, so dass die Stadt bald hinter mir liegt. Auch hier
nehme ich weiterhin die Hautstrassen und habe so Gelegenheit noch
etwas mehr vom Land zu sehen. Die endlosen Weiten bleiben stark
in meiner Erinnerungen und prägen den Eindruck, den ich neben
demjenigen an die freundlichen Menschen mitnehme.
Dann beginnen die Vororte von Istanbul
und gut 40km vorher geht die Fahrt nur noch durch die Stadt, welche
sich auf der asiatischen Seite auf dem schmalen Landstrich ausdehnt.
Und dann kommt der Verkehr, welcher gegen Abend vom Blechfluss in
eine Ansammlung stehender Fahrzeuge umschlägt. Glücklicherweise
kann ich mich mit dem Motorrad zwischen den stehenden Autos hindurch
bewegen und komme so noch etwas schneller voran. Nach einem kurzen
Abstecher hinunter an den Bosporus, wo die Fähre kreuzt, komme ich
auf die riesige Brücke, welche die beiden Erdteile miteinander
verbindet. Ganz bewusst fahre ich von Asien zurück nach Europa. Im
Sog des pulsierenden Lebens, welches in zwei Strömen zwischen den
beiden Enden der Brücke hin und her fliesst.
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Istanbul |
Nun gilt es langsam, einen Ort für die
hereinbrechende Nacht zu finden. Es dauert ewig, bis ich die Stadt
hinter mich bringe, denn auch auf der europäischen Seite dehnt sie
sich noch kilometerweit der Küste entlang aus. In einem
Internetkaffee finde ich die Adresse eines Hotels, welches in der
Nähe ist und dessen Preis vernünftig scheint. Nach einem Anruf
probiere ich das Hotel zu finden. Doch leider ist der
Englischwortschatz des Receptionisten eher beschränkt und auch die
Personen, welche ich anfrage, können keine klare Angaben machen.
Endlich finde ich einen Portier einer Anlage, welcher mir deutet, ich
solle hinter ihm her fahren. Er bringt mich zu einer Einfahrt mit
Barriere und deutet mir auf die Strasse in einiger Entfernung und ich
sehe dort das Hotel. Nun, warum kann ich denn nicht direkt dorthin
fahren?? Plötzlich taucht ein weiterer Portier auf und mir wird
klar, wie das ganze funktioniert. Die Gebäude vor mir sind so etwas
wie ein Werkhof an der Autobahn und das Hotel selbst ist nur von der
Autobahn aus zu erreichen. SUPER! Eine gute Wegbeschreibung würde
Wunder bewirken. Mit dieser Einsicht allein bin ich aber noch nicht
im Hotel angelangt. Während sich der eine Pförtner verabschiedet,
deutet mir der Arbeiter des Werkhofs, ihm zu folgen. Mit dem
Motorrad. Ok. Nur der erste Weg, den er mit mir gehen will führt
über eine ca. 20M lange flache Treppe hinunter. Nööö, keine Lust.
Haben wir noch einen anderen Weg? Ja, bitte hier entlang. An dessen
Ende komme ich wieder an eine Treppe. Diese ist jedoch nur etwas 5
Stufen hoch, doch mit normalem Trittverhältnis. Ich beschliesse,
diesen Weg zu probieren und rolle die kurze Treppe hinunter.
Glücklicherweise ist es trocken!
Das Hotel entschädigt dafür mit
seinem Standard für die Strapazen. Wenn ich auch neben der Autobahn
bin, so schlafe ich sehr gut, denn hier ist gut schallisoliert.
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Zimmer für Fr. 20.- inkl. Frühstück |
Donnerstag 12.4.2012
Auf, auf, das letzte türkische
Frühstück eingenommen und ab in Richtung Griechenland. Bin
gespannt, wie der Grenzübergang hier ablaufen wird. Zudem habe ich
nun mein DoIt Nummernschild und mit Griechenland komme ich ja bereits
wieder in den Schengen Raum.
Doch erst einmal gilt es von der
Autobahn herunter zu kommen, denn ich habe natürlich noch immer
keine Karte um die Ausfahrt zu bezahlen. An der Kontrollstelle
angekommen wende ich mich freundlich an die dort arbeitenden
anwesenden Beamten und versuche ihnen meine Situation klar zu machen.
Erst ein wenig Verwirrung auf ihren Gesichtern und dann signalisieren
sie mit, ich solle durchfahren. Als ich an die Barriere komme, rechne
ich damit, dass sie diese nun öffnen, doch ich warte vergeblich.
Also wieder drum herum fahren und hören, wie die Sirene los geht.
Kurz vor der Grenze mache ich nochmals
halt um etwas zu essen und meine verbleibenden türkischen Lira in
Benzin umzusetzen. Zurückwechseln würde sich weniger lohnen als der
Mehrpreis für das Benzin hier ausmacht.
Dann kommt der Grenzposten zu
Griechenland. Die Grenzposten scheinen alle nach dem selben Schema
aufgebaut zu sein und der Ablauf ist mir doch sehr bekannt, fast
schon ein wenig vertraut. Innert kürzester Zeit bin ich durch und
bewege mich wieder im Niemandsland. Die Strasse nach Griechenland
führt mittels Brücke über einen Grenzfluss. Anhand der starken
Militärpräsenz bin ich mir nicht so sicher, ob ich nun doch noch
einmal nach Syrien fahre, doch die Flaggen auf den Wachhäuschen der
anderen Brückenseite sind eindeutig griechisch. Zwischen diesen
beiden Ländern scheint auch noch einiges nicht ganz aufgearbeitet zu
sein.
Die anschliessenden
Einreiseformalitäten verlaufen ohne grosse Reibungsverluste und nach
einigen Minuten bin ich bereits in Griechenland unterwegs.
Am auffälligsten sind die fehlenden
Minarette in den Ortschaften, welche nun an der Strasse auftauchen.
Mein Plan ist, bis ca. 50Km vor Thessaloniki zu fahren und dort am
Meer zu übernachten. Im Internet habe ich noch einen Campingplatz
ausfindig gemacht, welcher einen sympatischen Eindruck macht.
Die Ortschaft heisst Aspovalta und ist
ein Ferienort Direkt am Meer. Nur fehlen auch hier wieder die
Touristen, welche um diese Zeit noch nicht anwesend sind. Meinen
Camping finde ich ebenfalls schnell. Er liegt etwas ausserhalb und
mach einen verlassenen Eindruck. Die Informationen im Internet
dürften wohl etwas veraltet sein. Irgendwie sollte ein Verfalldatum
für Websites eingeführt werden.
Nach kurzer Suche finde ich ein
idyllisches Plätzchen direkt am Meer, welches mich direkt für den
Aufenthalt diese Nacht einlädt. Das erste Mal ein kleines Lagerfeuer
und der sternenklare Himmel über dem gleichmässig rauschenden Meer
entschädigen für viele Strapazen.
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ungestörte Ruhe am Strand |
In der Dunkelheit beginnt plötzlich
ein Glockenspiel von einem Kirchturm her zu schlagen und einige Zeit
später vernehme ich Kirchgesänge. Kitschiger könnte es eigentlich
nicht sein.
Freitag 13.4.2012
Freitag der 13. und vor mir liegt ein
gutes Stück Weg bis nach Igouamenitsou, von wo aus die Fähre nach
Bari ablegt. Da ich keine Karte von Griechenland mit dabei habe, muss
ich mich auf die spärlichen Daten des GPS verlassenen. Diese reichen
aber problemlos aus.
Kurz nach dem Mittag lege ich eine Rast
ein, da alles sehr gut verlaufen ist und noch genügend Zeit für die
knapp 200km, welche vor mir liegen vorhanden ist.
Beim Verlassen des Restaurants beginnt
es jedoch wieder zu tropfen und nun will ich definitiv nur noch an
die Wärme.
Die Tropfen verwandeln sich in einen
anständigen Frühlingsregen, welcher sehr erfrischend wirkt. Doch
etwas zu erfrischend für meine Motorrad! Plötzlich setzt der Motor
aus und auch der Wechsel auf Reserve bringt keine Änderung. Was nun?
Es sind noch rund 160km vor mir und nun streikt die gute Ténéré.
Nach einigem Örgeln am Anlasser und Versuchen mit mehr oder weniger
Gas springt sie wieder an. Doch irgendwie will sie nicht so recht.
Mir kommt ein übler Verdacht und dieser wird durch einen Blick auf
den Zylinder bestätigt: der Ansaugstutzen zwischen Vergaser und
Zylinder ist nicht mehr dicht und saugt falsche Luft, resp. in dem
Fall sogar Wasser an. Quelle Bordelle!?! Nun heisst es einfach
durchhalten und die Fähre erreichen.
Die verbleibende Strecke wird zu einem
Tanz auf Nadeln. Beim kleinsten seltsamen Verhalten werde ich
misstrauisch und versuche den Motor am Leben zu erhalten. Noch einige
Male versagt er aber seinen Dienst, doch mit etwas Überredungskunst
bringe ich ihn wieder zum laufen.
Die letzten Kilometer bis Igouamenitsou
werden dann sogar wieder trocken und ich komme „in Time“ am
Fährterminal an. Nach dem Chek-In fahre ich noch ins Dorf, um etwas
zu Essen für die bevorstehende Überfahrt zu kaufen.
Im Ort sind viele Strassen abgesperrt
und die Läden sind am Schliessen. Im kleinen Laden, den ich dann
finde, erfahre ich, dass dies der Anfang des orthodoxen Osterfestes
ist und dass nun alles für einige Tage geschlossen bleibt. Last
Minute – Glück gehabt.
Ab 19:00 ist das Boarding der Fähre
offen. Der grösste Teil der Fahrzeuge, welche am Hafen für die
Fahrt in das Schiff warten haben bulgarische oder rumänische
Nummernschilder. Das merke ich dann auch im Schiff selbst, welches
mir wie ein Zigeunerlager vorkommt (ohne nun jemandem zu nahe treten
zu wollen). Wieder ein ganz anderer Schlag Mensch, welcher sich hier
eingefunden hat. Die halbe Nacht durch wird getrunken und palavert,
Polka laufen lassen und es herrscht ein riesen Tohuwabohu.
Samstag 14.4.2012
Zeitverschiebung und wir sind bereits
am frühen Morgen in Bari. Mein Glück. Als erstes muss ich ein
Ersatzteil finden und mich dann in Richtung Westen begeben. Die
nächste Fähre geht erst am Montag und somit habe ich keinen grossen
Druck.
Die Einreise nach Italien erfolgt in
Form eines Pass zeigen und durchwinken. Interessanterweise müssen
Reisende aus den Ostblockstaaten einen anderen Weg nehmen. Doch noch
nicht alles ganz gleich in der EU.
Die Website von Yamaha ist famos.
Einerseits sind die Explosionszeichnungen aller Motorräder
verfügbar, so dass ich die Teilnummer herausschreiben kann und
andererseits haben sie europaweit alle Händler aufgeführt. In Bari
sind dies gleich ein halbes Dutzend.
Der nun folgende Teil ist schwieriger,
da mein Italienisch sich auf einige wenige Brocken beschränkt. Doch
auch das klappt. Ich komme in eine Werkstatt, wo wir und das Problem
kurz ansehen. Hmmm, Ok. Können wir bestellen und ist bis in einer
Woche hier. Ähhh Stop! Montag geht die Fähre nach Tunis. Also wird
etwas herumtelefoniert und es findet sich ein Händler in Napoli,
welcher den Ansaugstutzen an Lager hat. Bestens, denn die Fähre geht
von Salerno über Palermo nach Tunis.
Ich mache mich ausgerüstet mit einer
Italienkarte auf den Weg quer durch das Land. Es ist noch immer
bitter kalt und regelmässig kommen Regenfronten, welche ich an mir
vorbeiziehen lasse, nachdem ich einen Unterstand gefunden habe.
So kommt es, dass ich im Landesinneren
an einem Landgasthof vorbei komme, welcher ideal für die Nacht zu
sein scheint. Passt. Mit einem guten italienischen Essen wird dieser
Tag beendet.
Sonntag 15.4.2012
Weiter geht es nach Salerno und dort
brauche ich noch eine Unterkunft. Online finde ich ein B&B in
zentraler Lage, welches einen schönen Eindruck macht. Was natürlich
nicht ersichtlich ist, ist, dass die Altstadt von Salerno aus lauter
kleinen und kleinsten Gässchen besteht. So erweist sich die Suche
nach dem B&B zu einem kleinen Kunststück.
Nachdem ich mein Zimmer bezogen habe,
beschliesse ich trotz Regen nach Napoli zu fahren und den Mechaniker
zu suchen, da es bis dort hin mehr als 25km sind und ich morgen
theoretisch im 9:00 im Hafen sein sollte.
Die Rekognostzion erweist sich als
richtig, denn für einmal stimmen die Angaben von Google Maps nicht
mit der Realität überein. Zum Glück ist dies eine
Ausnahmeerscheinung.
Jedenfalls finde ich den Mechaniker,
wenn auch geschlossen. Dies erleichtert am Montag die Fahrt hierhin
um vieles.
Den Rest des Nachmittag geniesse ich
mit Flanieren und einem guten italienischen Gelati.